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Einklappbarer Inhalt
Men of Alaska
Cole
Men of Alaska - In deinen Armen
Ein hoher Preis
Cole
»Hier!« Mit einem dumpfen Scheppern wirft Baines einen langen, schweren Gegenstand vor mir auf den Tisch. Er steckt in einer dieser Tüten, in denen die Beweisstücke gesichert werden. Durch das Blut an der Klinge klebt das dünne Plastik daran, doch ich erkenne das Jagdmesser sofort – es gehört mir.
Die Luft bleibt mir weg. Meine Eingeweide ziehen sich zusammen, und ich muss gegen den Impuls ankämpfen, mich zu übergeben. Mit bebender Brust zwinge ich mich zum Atmen. Mein Messer. Cynthia ist durch eine meiner Waffen gestorben. Sie wollte nie, dass ich sie zu Hause aufbewahre …
»Das gehört Ihnen, nicht wahr?« Der Chief verschränkt die Arme vor der Brust und wartet auf eine Antwort. Ich sehe nicht auf. Meinen Blick stur auf die verschmierte Damastklinge geheftet, nicke ich lediglich einmal.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Schwäche für Stichwaffen haben, Statham.«
Du Wichser. Meine Freundin ist tot.
Gequält beiße ich die Zähne zusammen.
»Ich habe eine Schwäche für die Jagd, Sir. Mein Großvater hat es mir beigebracht. Das Messer ist ein Erinnerungsstück.« Noch immer vermeide ich den Blickkontakt, höre aber sein angespanntes Ausatmen.
Ich sitze in einem der Verhörräume meines Departments. In Handschellen. Auf der falschen Seite dieses verfickten grauen Stahltisches, auf dessen Platte mein Boss nun seine Hände stützt. Ich darf die Fassung nicht verlieren. Wenn ich hier irgendwie wieder rauskommen will, muss ich einen kühlen Kopf bewahren.Ich werde die Bilder nicht los. Es tut so verdammt weh.
»Das ist nicht länger nur ein Erinnerungsstück, Cole«, raunt Baines mir zu. »Es ist jetzt eine Tatwaffe. Und die einzigen Fingerabdrücke darauf sind Ihre, verdammt!« Seine flache Hand rauscht auf die Tischplatte, und der Schlag hallt durch den ganzen Raum.
Ich zucke lediglich mit den Wimpern. »Sie wissen, dass ich es nicht getan habe«, stoße ich hervor und hebe ganz langsam den Kopf. Ein winziger Funke Hoffnung brennt in mir, dass mein Boss trotz aller Befürchtungen auf meiner Seite steht. Dass sie ihn nicht gut genug bezahlen, um sich gegen seine eigenen Leute zu stellen. Doch als ich seinem Blick begegne, gefriert der Funke zu Eis.
»Was ich denke, tut nichts zur Sache«, sagt er und wendet sich ab. Er hat nicht einmal den Schneid, mir in die Augen zu sehen, als er mir offenbart, dass die Beweislage eindeutig ist und ich noch im Laufe des nächsten Tages dem Haftrichter vorgeführt werde. Mir entweicht ein bitteres Lachen. »Wie hoch?«, frage ich, und Baines blickt über seine Schulter. »Was meinen Sie?«
»Wie hoch der Preis ist, will ich wissen.«
Er schluckt. Sein Mund mit dem Oberlippenbart klappt auf. Und als er für den Bruchteil einer Sekunde ertappt zur Seite blickt, sammelt sich all meine verzweifelte Aggression in meinen Beinen. Ich schnelle hoch, der Stuhl schabt quietschend über den Boden und droht, zu kippen. Das metallene Klacken, als die Beine wieder auf die Fliesen treffen, ist kurzzeitig das einzige Geräusch im Raum. Abgelöst von meinen tiefen Atemzügen. Baines weicht zurück.
»Ich weiß, dass er Sie bezahlt.« Meine Stimme ist leise, doch meine Worte treffen ins Schwarze, jedes Einzelne. »Er bezahlt Sie dafür, sein Syndikat zu decken, seine Feinde zu schwächen und unsere Einsätze zu untergraben.« Baines wird zunächst ganz blass, dann steigt ihm die Zornesröte ins Gesicht. »Setzen. Sie. Sich«, knurrt er, sieht aber hilfesuchend zur Tür, als ich um den Tisch herum trete, meine Hände in den Fesseln zu Fäusten geballt. Der Schmerz vernebelt meinen Verstand, Wut und Verzweiflung treiben mich vorwärts. Ich bin mir bewusst, dass es riskant ist, was ich hier tue, doch ich brauche Gewissheit.
»Wie hoch muss der Preis wohl sein, um sich gegen seine eigenen Männer zu stellen, Baines? Verraten Sie es mir?«
»Keinen Schritt näher!«, bellt er und hebt den Kopf in Richtung der Überwachungskamera, die in der Ecke über der Tür installiert ist. »Officer! Ich brauche hier drin Verstärkung!«
»Keine Angst, Sir.«Voller Verachtung werfe ich ihm das Wort vor die Füße. »Ich werde Ihnen nichts tun. Ich hoffe nur, dass Ihr Gewissen Sie von innen auffressen wird, denn Sie sind mitschuld, dass Cynthia sterben musste.« Seine Augen werden weit. »Ich habe diese Frau geliebt«, zische ich und die Qualen, die ich dabei erleide, schnüren mir den Brustkorb ab. »Und ich wünsche mir, dass Ihre verkommene Seele dafür in der Hölle verrotten wird.«
Die Tür fliegt auf und zwei Beamte drängen mich zurück. Ich widersetze mich nicht, doch ehe Baines den Raum verlässt, kommt er noch einmal auf mich zu. »Es tut mir verdammt leid um Ihre Freundin, Statham«, flüstert er. »Aber auch ich habe Familie.« Und zum ersten und vermutlich auch letzten Mal sieht er mir aufrichtig in die Augen.
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»Lassen Sie mich durch!«
Dex?! Gott sei Dank, es geht ihm gut.
»Niemand darf zu ihm, Sir«, höre ich einen anderen Mann sagen. Ein Rumpeln ertönt. »Sir! Lieutenant!« Schritte kommen schnell näher und dann erklingt Dex’ Stimme direkt vor meiner Zelle. »Schließen Sie auf, Officer, oder Sie regeln noch heute Nachmittag den Verkehr.«
Die drei Schlösser der Verriegelung klacken, und dann steht mein Freund vor mir. »Cole!«
Ich springe von der Pritsche auf und falle schier in seine Umarmung. Ich bin so erleichtert, ihn zu sehen, hatte ich doch Angst, dass auch ihm etwas zugestoßen sein könnte. Oder Suzanna. Oder dem Kleinen. Ich atme schwer. Einen vertrauten Menschen bei mir zu haben, bringt all die Gefühle nach oben, die ich seit gestern Abend mit aller Kraft versuche, unter Kontrolle zu halten. Meine Augen brennen.
»Es tut mir so leid«, flüstert er und als ich den Blick hebe, sehe ich, dass auch er mit den Tränen kämpft. Ich schlucke hart. »Bei dir alles okay?«, frage ich und suche in seinem Gesicht nach etwaigen Anzeichen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn auch Dex da mit reingezogen würde. Doch zu meiner Erleichterung nickt er. »Alles in Ordnung. Ich habe Suzanna und Jimmy sofort zu ihrer Mutter geschickt, als ich es erfahren habe. Cole, ich hab die Akten eingesehen, die wollen dir den Mord anhängen!«
»Ich weiß.« Kraftlos sinke ich zurück auf die Pritsche und fahre mir mit den Händen über das Gesicht.
»Ich habe Baines gesagt, dass ich dich nur kurz vorher daheim abgesetzt habe. Dass du gar nicht die Zeit gehabt haben kannst, um … Ach, Scheiße. Er hat mir nicht einmal zugehört. Du hattest recht, Cole. Die ganze Zeit hattest du recht.« Ratlos stemmt er die Hände in die Seiten und sieht auf mich herunter.
»Was steht in dem Bericht?«, frage ich und schüttle nur den Kopf, als er mir von einer angeblichen Zeugin erzählt, die einen Streit gehört haben will, und dass die Polizisten mich mit der Tatwaffe in der Hand überwältigt hätten. Es war die perfekte Falle. Und Cynthia mein wunder Punkt. Sie musste sterben, weil ich sie geliebt habe. Ich verberge mein Gesicht in den Händen, weil mich die Erinnerungen an gestern Abend überrollen. »Das Blut, Dex«, presse ich hervor. »Überall war Blut.« Und dann zerbreche ich. Meine Schultern zucken, ich ringe nach Luft. Jeder noch so kleine Muskel in meinem Körper krampft sich qualvoll zusammen und mit der Erinnerung an Cynthias strahlendes Lachen, das ich nie wieder sehen, nie wieder hören werde, rinnen die Tränen meine Wangen hinunter. Ich kann es nicht aufhalten. Ich kann es nicht steuern. Noch nie habe ich solch unfassbares Leid verspürt. Nicht einmal, als meine Eltern starben.
Cynthia ist fort.
Für immer.
Und der Schmerz reißt meine Selbstkontrolle mit sich.
Ich spüre Dexters Hände auf meinen Schultern. Er ist vor mir in die Hocke gegangen und spricht leise auf mich ein. »Ich bin bei dir, hörst du? Ich lasse dich nicht im Stich.«
Seine Freundschaft tröstet mich, doch ich weiß, dass meine Lage aussichtslos ist. Ich werde des Mordes angeklagt. Und sollte ich die Todesstrafe erhalten, werde ich mir noch wünschen, dass Salazars Leute mich vorher im Knast erwischen. Ich bin tot. So oder so. »Es hat keinen Sinn mehr, Dex«, sage ich. »Versprich mir nur, dass du dich aus dem Staub machst. Bitte. Ich will nicht, dass sie dich auch noch erwischen. Du bist mein Partner. Mein Freund. Und dadurch schwebst du automatisch in Gefahr, selbst, wenn du dich aus den Ermittlungen gegen diesen Teufel zurückziehst.«
»Das verspreche ich dir. Ich habe es auch Suzanna versprochen. Aber vorher hole ich dich hier raus. Und wenn du dich auf den Kopf stellst.«
Mein Lachen klingt hoffnungslos. »Wie soll das gehen? Willst du den Gefangenenbus stürmen? Das hier ist nicht Hollywood, Dex.«
»Lass das meine Sorge sein.« Er drückt mir die Schulter. »Du hast mir schon einmal den Arsch gerettet, weißt du noch? Jetzt bin ich dran. Hier.« Verwundert betrachte ich das kleine Fläschchen, das er mir hinhält. »Was ist das?«
»Keine Ahnung, ich hab den Namen vergessen. Aber nimm das heute Nacht. Es wird dir hundeelend davon werden, aber da musst du durch.«
»Willst du mich umbringen?« Zweifelnd wandern meine Augenbrauen in die Höhe.
»Idiot.« Dex schnaubt. »Sie werden dich ins Krankenhaus bringen und von dort kann ich dir zur Flucht verhelfen. Ich hab den Plan genau im Kopf, aber ich brauche bis morgen früh, um alles zu organisieren.« Er streckt mir das Fläschchen entgegen, doch ich zögere. Wenn sie uns erwischen, dann ist er geliefert. Da packt er meine Hand und legt mir das Zeug hinein. »Heute Nacht«, sagt er und steht auf.
Als er gegen die Zellentür klopft, damit ihm der Beamte öffnet, starre ich noch immer auf das braune Glas. Das wird nicht funktionieren. Und dennoch bleibt mir nichts anderes übrig, als meinem Freund zu vertrauen, denn es ist die einzige Chance, die ich habe. Die Tür geht auf und ich schließe meine Finger. Dex’ und mein Blick treffen sich noch ein letztes Mal. Dann bin ich wieder allein.
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»Was zur Hölle war das für ein Hexengebräu?!«, zische ich meinem Freund am nächsten Morgen zu, als er das Krankenzimmer betritt, in das sie mich mit den fiesesten Magenkrämpfen seit Anbeginn der Menschheit gebracht haben. Ich dachte tatsächlich, ich gehe drauf. Zitternd und in Embryonalstellung lag ich auf meiner Pritsche, der Schweiß rann mir kalt aus allen Poren und ich bekam kein Wort mehr heraus, als zwei Officers, durch mein qualvolles Stöhnen alarmiert, die Zelle stürmten. Die Schmerzen wurden erst erträglicher, nachdem sie mir im Krankenhaus irgendein entkrampfendes Mittel gespritzt hatten. Mir ist immer noch schlecht, aber Dex’ Plan ist bis hierhin schon mal aufgegangen – ich bin nicht mehr im Gefängnis.
»Zieh dich an, wir müssen uns beeilen«, bekomme ich anstelle einer Antwort, während Dexter eine Sporttasche auf mein Bett stellt. »Ich hab dir ein bisschen was zusammengepackt.«
»Was ist mit dem Polizisten vor der Tür?«
»Der wurde zu einem vermeintlichen Zwischenfall auf dem Parkplatz beordert. Mach schnell, er wird bald merken, dass das eine Finte war.«
Eilig tausche ich das Krankenhemd gegen meine Klamotten, während Dex an der Tür steht und den Flur überprüft. Er winkt mich zu sich, kaum, dass ich in den zweiten Sneaker geschlüpft bin. »Schnell!«
So unauffällig und dennoch zügig wie möglich folge ich ihm den Gang hinunter bis zum Treppenhaus. Mein Herz klopft und mein noch immer angeschlagener Kreislauf lässt mir das Blut in den Ohren rauschen. Ich bin auf der Flucht. Ich komme in Teufels Küche, sollte der Polizist schneller sein als erwartet und Verstärkung anfordern – und Dex auch. Eine Flut von Gedanken wälzt durch mein Hirn, während wir die Stufen immer weiter nach unten hetzen. Mein geschwächter Körper macht es mir schwer, mit meinem Partner Schritt zu halten. Ich keuche und einmal falle ich beinahe, kann mich aber gerade noch am Geländer festhalten.
Endlich erreichen wir die Tiefgarage. Dex bedeutet mir, stehen zu bleiben. Nach Luft ringend sinke ich gegen die Wand, da treibt er mich bereits weiter, bis wir vor einem beigen Mittelklassewagen stehen bleiben, an dem die Zentralverriegelung aufschnappt. »Was Hässlicheres hast du nicht bekommen, was?«, schnaufe ich, die Hände auf meine Oberschenkel gestützt, und sehe mich gehetzt um. Niemand ist zu sehen. Dex schüttelt den Kopf und wirft die Tasche auf den Rücksitz. »Der ist unauffällig«, blafft er mich an. »Und jetzt halt die Klappe und hör mir zu.« Auch er ist nervös. Nach all den Einsätzen, die wir gemeinsam bestritten haben, kann ich seine Körpersprache lesen. »Hier.«
Ich nehme das Bündel Dokumente entgegen, das er mir reicht. Ganz obendrauf liegt ein Führerschein, auf dem ich mein Foto erkenne. Allerdings … ich sehe auf.
»Du bist nicht mehr länger Cole Statham.«
Die Krämpfe sind zurück. Ich atme schwer. Doch diesmal liegt es nicht an den Nachwehen des Medikaments, sondern daran, dass mich die Tragweite von Dex’ Worten wie ein Schlag in den Magen trifft. Natürlich, ich kann hier nicht einfach rausspazieren, als sei nichts geschehen. Wenn ich meine Freiheit wiedererlangen will, dann muss ich dafür bezahlen … Mit meiner Identität.
»Es tut mir leid, Bud, aber das ist die einzige Möglichkeit. Sonst endest du entweder im Gefängnis oder mit einer Kugel im Kopf, und beides möchte ich um jeden Preis verhindern.« Dex tritt vor. »Du musst L.A. verlassen.« Mit fest aufeinandergepressten Lippen übergibt er mir die Autoschlüssel. Er weiß, was in mir vorgeht. Dieser elenden Stadt den Rücken zu kehren, ist nicht das Thema. Aber wenn ich gehe, dann werde ich nicht nur mein Leben zurücklassen, sondern auch Cynthia und alles, was mich mit ihr verbunden hat. Ich werde nicht einmal ihr Grab besuchen können …
Am anderen Ende der Tiefgarage wird eine Tür geöffnet. Stimmen erklingen, aber es ist nur ein Ehepaar, das zu seinem Wagen läuft, ohne Notiz von uns zu nehmen. Dennoch erinnert uns ihr Erscheinen daran, dass wir uns beeilen sollten. »Was ist mit dir?«, frage ich. »Wirst du klarkommen?« Dex lächelt und zieht mich in seine Arme.
»Ich pass auf mich auf, versprochen. Sobald sich die Wogen geglättet haben, hat Baines meine Kündigung auf dem Tisch.« Er klopft mir kräftig auf den Rücken und tritt zurück. »In der Tasche sind ein Prepaid-Handy und etwas Geld. Ich werde mich bei dir melden, wenn ich auf dem Weg zu Suzanna bin. Und jetzt hau ab, ehe ich noch heulen muss.«
»Danke«, sage ich und schlucke gegen den verdammt fetten Kloß in meinem Hals. »Für alles.« Ein letztes Mal umarmen wir uns, dann geht er ohne ein weiteres Wort.
Ich sehe seinen Rücken noch in der Menschenmasse auf dem Bürgersteig verschwinden, als ich mit dem Wagen die Tiefgarage verlasse, und bete zu Gott, dass er ihn beschützen möge. Dann fädle ich mich in den Verkehr ein und sehe zwei Kreuzungen weiter die Blaulichter im Rückspiegel. Den Blick entschlossen nach vorn gerichtet, gebe ich Gas und fahre weiter in Richtung Norden. Ich lasse alles hinter mir – meinen Job, meine Vergangenheit … und Cynthia. Um sie hat sich mein Universum gedreht. Sie war mein Leben. Cole Stathams Leben. Doch auch er existiert nicht länger. Sein Herz hörte mit ihrem auf zu schlagen. Und wenn ich sie irgendwann rächen will, dann als der Mann, der ich von jetzt an sein werde – Colin Stewart
Will & Bobby
Men of Alaska - In deinen Armen
William & Bobby
»Ginny! Da bist du ja!« Ich lasse die Gabel mit Speck und Ei sinken und springe auf. Mein Gott, ich hatte mir solche Sorgen um sie gemacht. »Schön, dass du wieder da bist, Honey.« Ich ziehe Virginia in eine feste Umarmung. Warum sieht sie so nachdenklich aus? »Wie war’s im Busch?«, frage ich und rücke ihr einen Stuhl zurecht, da kommt auch schon Anny. »Einmal Frühstück mit allem?«, fragt sie, ihr strahlendes Lächeln im Gesicht, doch Ginny lehnt ab. »Ich hatte schon Pancakes, Anny, vielen Dank. Aber einen Kaffee würde ich gerne nehmen. Mit viel Milch und ein wenig Zucker, bitte.«
»Kommt sofort!« Anny entschwindet. Hinter die Theke, an der auch Bobby sitzt, und mein Blick bleibt eine Sekunde zu lang an seinem Rücken hängen. An den wunderschönen dunklen Locken, die ihm heute Morgen verwuschelt in alle Richtungen stehen. Wie gerne wäre ich dafür verantwortlich ... Mit einem leisen Seufzen verscheuche ich das Flattern in meinem Bauch und wende mich wieder meiner Freundin zu – irgendetwas liegt auch ihr auf dem Magen, doch im Gegensatz zu mir scheinen es definitiv keine Schmetterlinge zu sein.
»Uhhh, Pancakes«, frage ich. »Er hat für dich Frühstück gemacht? Los, erzähl! Ich habe gehört, dieser Colin soll jung und knackig sein. Ich will alle Details!«
»Jung und knackig«, murrt sie. »Das mag ja stimmen, aber leider ist er auch eigenbrötlerisch und stur wie ein alter Maulesel.« Oha. Ja, gutes Aussehen ist nicht alles und meine Augenbrauen zucken in die Höhe, als ich an Ace denke.
»Er wird uns nicht helfen, die Bären zu finden.« Sie seufzt und während Virginia mit zusammengekniffenen Lippen zum Fenster hinaus starrt, sinke ich gegen die Stuhllehne. Das verkompliziert unser weiteres Vorgehen natürlich. Auch wenn ich mir sicher bin, dass das nicht alles ist, was sie beschäftigt. Immerhin hat sie eine ganze Nacht im Haus eines angeblich höchst attraktiven Mannes verbracht, wenn ich Anny Glauben schenken darf. Und da ich meine kleine Virginia kenne, wage ich einen Vorstoß. »Wirklich nicht? Und hast du auch deinen ganzen Charme eingesetzt?«
»Will!« Blitze schießen über den Tisch und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ihre aufbrausende Reaktion ist ein weiteres Indiz dafür, dass das eine interessante Begegnung gewesen sein muss.
»Ich glaube, ich habe ihn eher angezickt«, fügt sie kleinlaut hinzu und meine Mundwinkel werden noch breiter. O ja, der Bärenmann hat Eindruck hinterlassen. Eindeutig. »Charme bringt bei diesem Mann nichts, Will. Der ist dagegen resistent.«
Arme Ginny, flüstert mein schlechtes Gewissen. Seit Tagen schon steht sie neben sich und ich weiß, dass ich daran nicht ganz unschuldig bin. Mit dieser Reise habe ich sie in ein Gefühlschaos gestürzt, aber ich bin immer noch davon überzeugt, dass es nur zu ihrem Besten ist. Ginny muss endlich rauskommen aus ihrem Schneckenhaus. Das ist im Grunde auch ihr eigener Wunsch, ich weiß das, doch sie steht sich immer selbst im Weg und darum musste ich sie diesmal schubsen. Als sich gestern Abend herausstellte, dass sie allein losgezogen war, da war mir zuerst Angst und Bange gewesen, doch irgendwie war ich auch ein wenig stolz auf sie. Endlich hatte sie sich mal etwas getraut, auch wenn ich zig Tode gestorben bin, bis endlich der Funkspruch von diesem Colin kam. Dass ihr Ausflug nicht erfolgreich war, ist natürlich blöd, aber noch will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass diese Reise ein voller Erfolg wird. »Oh, du meinst ... ob ich es mal mit meinem Charme versuchen soll?«, frage ich.
»Nein, mein Herz«, ihre Antwort kommt prompt. »Ich glaube nicht, dass du Colins Typ bist.« Schade eigentlich. Mein Gehirn projizierte gerade ein paar leckere, unanständige Bilder in meinem Kopf. Holzhackende Naturburschen. Nackte, verschwitzte Oberkörper. Junge Fischer, denen der Wind das Haar zerzaust ...
»Wer ist hier wessen Typ, hm? Ich will mitdiskutieren! Solche Themen gibt es bei uns eindeutig zu selten, nicht wahr, Jungs?« Anny serviert lachend den Kaffee, während der Alte an der Theke nur müde abwinkt. Bobbys Blick jedoch setzt ein schlagartiges Kribbeln in meinen Nacken. Den gesamten gestrigen Abend schon hatte ich nichts Besseres zu tun, als mich an meinem Bier festzuhalten und ihn zu beobachten. Sein Lachen, so schüchtern und doch drang es mir bis unter die Haut. Und die Art, wie er seinen schlanken Körper über den Billardtisch gebeugt hatte. Halleluja, ich hätte mich beinahe verschluckt, als er die Acht mit einem kräftigen Stoß im Loch versenkte. So wie jetzt, als er vom Barstuhl rutscht und seine dunklen Augen auf meine treffen. Er kommt herüber. Und während Anny sich einen Stuhl an unserem Tisch zurechtrückt, suche ich etwas, um meine Finger zu beschäftigen. Mein Teller ist leer und so bleibt mir nur, mich an der Lehne meines Stuhls festzuklammern. Scheiße, ich bin nervös. Mit jedem Schritt, den Bobby auf uns zukommt, verdreifacht sich mein Herzschlag. Mein Blick fliegt zu Virginia, doch sie ist mir keine Hilfe. Süffisant grinsend sitzt sie da – und ich weiß, sie hat mich durchschaut. Da bleibt Bobby direkt vor mir stehen. »Du wolltest doch wissen, wie es auf einem echten Fischkutter aussieht.« Wollte ich das? Ich schlucke. Kann sein, dass das gestern Abend mal Thema war, mir war aber nicht bewusst, dass er das mitbekommen hat. Ich nicke.
»Okay. Ich hab heute frei. Wenn du möchtest, dann komm doch mit und ich zeige dir die Albatros.«
»Jetzt gleich?«
»Ja. Aber wenn du keine Zeit ...«
»Will hat jede Menge Zeit!«, rufe Ginny dazwischen. Verräterin! »Geh nur, ich weiß doch, wie sehr du auf Schiffe stehst. Wir reden später.« Fassungslos starre ich sie an. Ginny kann lügen. Wie gedruckt, das kleine Miststück. Touché Madame! Mit einem zuckersüßen Lächeln sitzt sie mir gegenüber, während ich mich frage, warum ich nie wieder auf ein Schiff wollte. Ach ja, ich werde seekrank. Doch als ich in Bobbys Augen blicke, die Neugier darin entdecke, eine unausgesprochene Bitte in seinen rehbraunen Iriden schwingt, werfe ich dieses Wissen über Bord. Egal. Das Schiff legt ja nicht ab, richtig? »Sehr gerne, danke!«, höre ich mich sagen. »Aber warte noch kurz, ich brauche unbedingt meine Kamera!«
⁎⁎⁎
Der Boden schwankt unter mir, während ich Bobby über das Deck folge, und mit einem Ausfallschritt greife ich an die Rehling.
»Alles okay?« Er blickt über seine Schulter, ein freches Lächeln auf den Lippen, und sofort stehe ich wieder aufrecht. »Wir können auch wieder auf den Steg und ich erzähle dir dort etwas über das Schiff.«
»Nein, nein«, rufe ich tapfer, doch da hat er bereits umgedreht. Seine Hand legt sich auf meinen Unterarm. Die Berührung ist schlicht und unschuldig, dennoch kann ich meinen Blick nicht von seinen Fingern lösen. Meine Haut unter der Jacke wird ganz warm.
»Komm«, sagt er leise. »Ich will dich nicht quälen.«
Mich nicht quälen? Ich sehe auf. Und als sein Daumen mit nur einer kleinen Bewegung über mich streicht, weiß ich es. Die Gewissheit schwingt zwischen uns. Ich habe es mir nicht eingebildet. Mein Wunsch ist wahr. »Das tust du nicht.«
»Trotzdem.« Er sieht sich um, atmet tief durch. »Ich ... ich würde dich gerne etwas fragen. Aber nicht hier.«
»Okay.«
Bobby führt mich vom Schiff, den Anleger entlang. Hin und wieder wirft er mir einen flüchtigen Blick zu, während mir tausend Möglichkeiten durch den Kopf schwirren, was diese Frage sein könnte und warum er sie mir nicht einfach gestellt hat. Am Ende des Steges führt eine Treppe zum Wasser hinunter. Sanfte Wellen schwappen ans Ufer. Möwen kreisen über der Bucht und vereinzelt stiehlt sich ein Sonnenstrahl durch die graue Wolkendecke. Wir sind ungestört. Der Salty Elk liegt zwar über uns, aber der Steg verhindert, dass jemand hier herunter sehen kann. Beinahe schon aus Gewohnheit greife ich die Kamera und löse den Deckel vom Objektiv. Solch ein Panorama muss einfach festgehalten werden. Als Bobbys Rücken jedoch im Sucher auftaucht, der Wind in seinen schulterlangen Locken spielt, die unter dem Baseballcap hervorschauen, stelle ich scharf und drücke ab. Das Geräusch des Auslösers lässt ihn herumfahren. »Was tust du?«
Klick. Das nächste Bild. Überraschte Augen, eine Möwe im Sturzflug verwischt im Hintergrund. Und weiter. Klick, Klick, Klick. Ich betrachte die Ergebnisse auf dem Display, da steht er plötzlich vor mir. »Lass mal sehen.« Zweifel tritt auf seine Züge, seine Lippen kräuseln sich. »Ach ne, lösch die mal lieber.«
»Warum?« Verwundert über seine Reaktion drehe ich an dem Rädchen und scrolle erneuten durch die Bilder. »Ich finde sie wunderschön.«
»Echt?« Sein Blick von unten herauf trifft mich, halb verdeckt vom Schild der Kappe, und die Scheu darin macht etwas mit mir. Bobby ist nicht einfach nur ein hübscher junger Mann, den ich gerne ansehe. Dass er sogar sehr jung ist, dessen bin ich mir bewusst. Doch ich stelle mir vor, was aus ihm erblühen könnte, wenn man die Unschuld mit Wissen und Erfahrung nähren würde. Mit aller Vorsicht. Mit Liebe und Hingabe. Ich lasse die Kamera sinken. »Du wolltest mich etwas fragen.«
Er schluckt. Sein Adamsapfel hüpft und er vergräbt seine Hände in den Hosentaschen. Ich trete näher. »Frag, Bobby. Hab keine Angst.« Da sieht er zu mir auf. Sein Eckzahn gräbt sich in die Ecke dieser schrecklich sinnlichen Lippen.
»Ich ... ich hab noch nie ...«
Ich warte. Gebe ihm alle Zeit der Welt. Und genieße seinen Anblick.
»Ich hab noch nie jemanden geküsst. Noch nie.«
Das Flattern ist zurück. Die Schar Schmetterlinge in meinem Magen schlägt wild mit den Flügeln über dieses wunderschöne Geständnis. Ich weiß, wie viel Mut dazu gehört und die zarte Röte auf seinen Wangen macht, dass ich ihn am liebsten in meine Arme ziehen würde.
»Noch nie?«, frage ich zurück. »Auch kein Mädchen?«
»Nein.« Seine Locken fliegen, als er vehement den Kopf schüttelt. »Das wollte ich nie. Es ...« Er atmet tief durch. »Du.«
Alles kribbelt, als sein Blick mich trifft. Das tiefe Braun mich anzieht, als wolle es mich direkt in seine Seele ziehen. »Ich?« Er nickt. Sieht zur Seite. Unsicher zuckt er mit den Schultern. Mein Gott, er ist so umwerfend. So stark in all seiner Scheu, dass ich ihn nicht länger quälen möchte. Ich hebe eine Hand und berühre sein Kinn. Fahre mit einem Finger die Kontur seines Kiefers entlang und spüre das sanfte Kratzen nachwachsender Barthaare. Bobbys Augen huschen zwischen meinen hin und her. Er wagt es kaum, zu atmen. »Willst du das wirklich?«, frage ich und werfe vorsichtshalber noch einen Blick zum Hafen. Ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich kenne die Leute hier zu wenig und weiß nicht, wie sie damit umgehen würden. Doch niemand ist zu sehen.
Seine Lippen zittern, als er tief Luft holt und sein Kopf sich kaum merklich auf und ab bewegt. »Gern«, flüstere ich, denn meine Stimme ist ein wenig rau, als ich ihm das Cap abnehme, der Wind in seine Strähnen fährt und sie ihm um sein Gesicht weht. Vorsichtig streiche ich sie zurück, hinter sein Ohr. Lasse meine Finger weiter an seinem Hals hinunter gleiten und in seinen Nacken. Ich schließe die letzte Lücke, mit bebender Brust, weil ich mich selbst dem Sturm kaum erwehren kann, den diese Nähe zwischen uns durch meine Blutbahnen wirbelt. Seine Lider flattern, doch er hält meinem Blick stand. Ich atme seinen Geruch. Meer. Salz. Und die Note eines holzigen Aftershaves. Doch ich unterdrücke meine Begierde, vollkommen darauf bedacht, diesen ersten Kuss für ihn zu etwas Unvergesslichem zu machen. Stocksteif steht er vor mir. Ich lächle, meine Lippen nur noch einen Hauch von seinen entfernt. Liebkose seinen Nacken, erkunde die samtenen Ansätze seiner Locken mit meinen Fingerspitzen. Und schließe die Augen, als ich meinen Mund auf seinen senke. Weich und Rau. Zurückhaltend und neugierig. Ein paar Mal küsse ich seine einen spaltbreit geöffneten Lippen, gebe ihm die Gelegenheit, zu begreifen und zu genießen, was hier gerade geschieht. Und mit seinem Ausatmen, dem spürbaren Entweichen all der Anspannung aus seinen Schultern, lasse ich meine Zungenspitze gegen seine stoßen.